Panik an der Börse
Dax erleidet größten Punktverlust seiner Geschichte
21. Januar 2008 Panikverkäufe haben die europäischen Börsen zu Wochenbeginn in die Knie gezwungen. Gewaltigen Verkaufsvolumina stießen teilweise auf keinerlei Kaufinteresse. Mit einem Minus von 523,98 Punkten erlebte der Dax den größten Punktverlust seiner Geschichte.
An der deutschen Börse fielen die Kurse zuletzt am 11. September 2001 ähnlich stark, seinerzeit um 8,5 Prozent. An diesem Montag waren es 7,16 Prozent auf 6790,19 Punkte ab - der siebtgrößte Verlust in der Geschichte des Börsenbarometers, das damit das Kursniveau vom März des vorigen Jahres erreichte.
Weitere Verluste befürchtet
Eine Kombination aus Kreditkrise und Rezessionsangst hatte den Marktteilnehmern keinerlei bullishe Perspektiven mehr gelassen. Gegen 13 Uhr erreichte der Dax im Handelsverlauf sein Tagestief bei minus 7,5 Prozent und 6.762,77 Punkten. Zwischenzeitlich stabilisierte sich der Index etwas, rutschte aber gegen Handelsende erneut ab. Die im Dax gelisteten Unternehmen büßten in der Spitze insgesamt rund 67,5 Milliarden Euro an Börsenwert ein. Dies entspricht dem Bruttoinlandsprodukt der Slowakei.
Der MDax gab 5,80 Prozent auf 7.940,51 Zähler ab. Der TecDax fiel, belastet von einbrechenden Kursen im Solarsektor um 8,46 Prozent auf 725,32 Punkte und wurde zwischenzeitlich auf dem niedrigsten Stand sei Ende 2006 berechnet. An den amerikanischen Börsen wird wegen eines Feiertages nicht gehandelt.
„Wir sind mittendrin im Ausverkauf“, sagt Aktienstratege Emil Heppel von der Bankgesellschaft Berlin. „Im Vergleich zu früheren Rezessionszeiten ist das Minus noch relativ gering.“ ICF-Aktienhändler Dirk Müller erwartet eine Fortsetzung der Talfahrt. „Keiner will in ein fallendes Messer greifen“, sagte er in Anspielung auf eine alte Börsenweisheit. Marktanalyst Giuseppe Amato vom Brokerhaus Lang& Schwarz hält einen Rückfall des Dax in den kommenden Wochen auf bis zu 6500 Punkte für möglich.
Technische Ratlosigkeit
Bei 6680 Punkten verläuft der langfristige Aufwärtstrend seit 2003. Sollte er gebrochen werden, wäre dies ein sehr schlechtes Vorzeichen für die weitere Börsenentwicklung in diesem Jahr. Indes waren es auch technische Ursachen, die die Talfahrt anheizten. Viele Anleger hatten zum Schutz gegen Kursstürze Limits eingezogen, bei denen sie Aktien abstoßen. „Wenn das Ding ins Rutschen kommt, will man nicht mitrutschen“, sagte Heise. Technische Analysten tun sich derzeit schwer, Auffangmarken zu nennen. „Bei Panikverkäufen gelten technische Marken einfach nicht mehr“, so ein Analyst.
„Die Angst vor einer Rezession in den Vereinigten Staaten hat noch mal deutlich zugenommen“, meint Heppel. „Ein Grund für das Minus sind auch enttäuschte Erwartungen vom Konjunkturprogramm. Der Markt scheint nicht überzeugt zu sein, dass das Programm die Wirtschaft rettet.“
Verschärfte Kreditkrise
„Dazu kommen Sorgen im Finanzgeschäft“, fügt Heppel mit Blick auf die Rückstufung der Bonität des amerikanischen Kreditversicherers Ambac hinzu. „Wenn es niedrigere Bewertungen im Bond-Portfolio gibt, dann kann das große Verluste nach sich ziehen. Das ist noch mal eine ganz andere Dimension.“ (vgl. Corporates: In der Versicherungskrise).
Mit der Herunterstufung von Ambac durch die Ratingagentur Fitch sind diese sogenannten „Monoliner“ in den Blick geraten. Die Unternehmen „borgen“ ihr gutes AAA-Rating an andere Kreditnehmer aus. Durch die Herabstufung Ambacs droht nun vor allem den amerikanischen Kommunen und Bundesstaaten eine Verschlechterung ihrer Schuld. „Und hier liegt das Volumen wohl im Billionen-Bereich“, so ein Händler.
Nordinvest-Fondsmanager Boris Boehm blickt dagegen optimistischer in die Zukunft. „Ich würde nicht Wohl und Wehe an diesen Tag hängen. Das ist nicht das Ende der Welt. Es ist ein miserabler Tag, aber ich kann mir vorstellen, dass wir 2008 im Jahresvergleich
sogar mit einem Plus abschließen.“
Banken und Versicherungswerte verlieren heftig
In ganz Europa standen daher Banken und Versicherer unter Druck. Im Handel wird als Grund auf die amerikanischen Tochter der belgischen Dexia, Financial Security Assurance (FSA), verwiesen, die im Kreditversicherungsgeschäft tätig ist. Dexia brachen um 8 Prozent auf 14,13 Euro ein.
Neben der angeschlagenen Hypo Real Estate-Aktie war der Anteilsschein der Commerzbank mit einem Minus von mehr als zehn Prozent Tagesverlierer. Das Geldinstitut hat vermeldet weitere Abschreibungen im vierten Quartal getätigt zu haben, weil sich die Märkte verschlechtert hätten.
Die WestLB erwartet 2007 einen Jahresverlust von einer Milliarde Euro - die Eigentümer müssen dem angeschlagenen Institut mit einer Kapitalspritze von voraussichtlich zwei Milliarden Euro aushelfen.
Selbst die Versorger, die sich seit Jahresstart gegenüber dem Gesamtmarkt gut gehalten hatten, gaben am Montag nach. Die Bewertungen sind inzwischen sehr hoch, so ein Händler. Teilweise würden die Versorger KGVs eines Wachstumswertes aufweisen. Sollte die Bewertung in Richtung „Value“ vollzogen werden, hätte der gesamte Sektor deutliches Abwärtspotential.
Anhaltende „Carry-Korrektur“ am Devisenmarkt
Der Ausverkauf zeigte sich auch am Währungsmarkt - in Form der so genannten Carry Trades. Waren sie in den vergangenen Jahren groß in Mode gewesen, so werden sie nun immer mehr zurückgedreht. Anleger kaufen niedrige verzinsliche Währungen wie den Yen und den Schweizer Franken zurück, in denen sie sich in den vergangenen Jahren mit dem Ziel verschuldet hatten, Anlagen in Hochzinswährungen zu kaufen. Aus diesem Grund legte der der Yen gegen den Euro alleine am Montag zwei Prozent zu, der Schweizer Franken verbuchte einen Kursgewinn von 0,4 Prozent und der Dollar kann sich gegen den Euro weiter erholen: Der Euro kostet nur noch 1,4440 Dollar.
„Schwarzer Montag“ in Shanghai
Bereits die Vorgaben aus Asien waren schwach gewesen. Die Angst vor einer Rezession in den Vereinigten Staaten hatte an der Leitbörse in Tokio den Nikkei-Index für 225 führende Werte um 3,86 Prozent absacken lassen.
Die Börse in Hongkong musste am Montag den schwersten prozentualen Verlust innerhalb eines Tages seit den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in den Vereinigten Staaten einstecken. Der Hang-Seng-Index brach um 5,49 Prozent ein. In China sackte der Shanghai Composite Index um 5,14 Prozent ab. Das war Angaben staatlicher Medien zufolge der bisher schwerste Kurssturz seit sechs Monaten. Die Medien sprachen von einem „schwarzen Montag“. Chinas Anleger befürchten, dass neue Wachstumszahlen, die am Donnerstag veröffentlicht werden sollen, erneute Schritte der Regierung in Peking zur Abkühlung der Wirtschaft nach sich ziehen könnten.