Neuer Standard für IP-Protokoll
Das Internet braucht neue Hausnummern
06. Mai 2008 Langsam, aber unausweichlich wird es eng im Internet. Das für den Datenverkehr im Netz grundlegende Internet-Protokoll ermöglicht 3,7 Milliarden Adressen - bei einer Weltbevölkerung von 6,7 Milliarden sind das deutlich zu wenig. In dieser Woche wollen rund 200 Teilnehmer einer Fachkonferenz in Potsdam die Lösung für das Problem vorantreiben: IPv6 hat mit 340 Sextillionen Adressen praktisch unendlich viel Platz.
Dieses Internet-Protokoll in der Version 6 sei schon fast zehn Jahre alt, erklärt Konferenzleiter Christoph Meinel. „Man hat sich damals hingesetzt und gefragt: Wie machen wir es richtig?“ Denn bereits Mitte der 90er Jahre erkannte man die Mängel der Version 4 des Internet-Protokolls - vor allem die begrenzte Verfügbarkeit von Adressen, in der Fachsprache als Adressraum bezeichnet.
Danach sei IPv6 aber nicht richtig in die Gänge gekommen, erklärt Meinel, der das Hasso-Plattner-Institut (HPI) an der Universität Potsdam leitet. Vor allem in den Vereinigten Staaten hielt sich die Begeisterung in Grenzen - die dort eingerichteten Netze verfügen ja auch über etwa 74 Prozent aller derzeit vergebenen IP-Adressen. Für China und andere asiatischen Ländern sei der Druck der Adressenknappheit aber sehr viel stärker, erklärt Meinel. Daher werde IPv6 dort sehr viel massiver vorangetrieben.
Netzanbindung für Geräte aller Art
„Inzwischen kommt auch in den USA und bei uns Bewegung hinein“, sagt Meinel. Als treibende Kräfte nennt er den Trend zum „Internet der Dinge“, also der Netzanbindung von elektronischen Geräten aller Art vom Stromzähler bis zum Kühlschrank. Interessant ist das neue Protokoll auch für mobile Anwendungen. Für Handys und andere mobile Geräte gebe es bislang keine feste IP-Adresse, erklärt der Informatiker. Das erschwert die Entwicklung von Web-Anwendungen, die ein Gerät gezielt ansprechen müssen. „Das wird alles mit IPv6 möglich“, sagt Meinel.
Der Umstellungsprozess wird schrittweise vor sich gehen und betrifft alle Netzanbieter und -nutzer, auch den Endanwender. „Die meisten Provider beschäftigen sich noch nicht genug mit IPv6“, sagt Frank Orlowski vom Internet-Austauschknoten DE-CIX in Frankfurt am Main. „Je früher man damit anfängt, umso besser.“ Es dürfe keine Torschlusspanik aufkommen, aber „irgendwann gibt es nichts mehr, was noch an Adressräumen verteilt werden kann“. Immerhin nutzen nach Angaben Orlowskis bereits 70 bis 80 Provider der 240 am DE-CIX angeschlossenen Netze das neue Internet-Protokoll.
Der Netz-Experte erwartet, dass es eine Übergangszeit geben wird, in der beide Protokolle parallel verwendet werden können. „Irgendwann wird man dann aber das alte Netz abschalten“, erklärt Orlowski. „Das wird ein Prozess sein, der mehrere Jahre in Anspruch nimmt.“ Die Schätzungen für den Zeitpunkt, zu dem es keine freien IP-Adressen mehr geben wird, reichen je nach Szenario von 2010 bis 2012.
Abschied von dynamischen Adressen
Auch der Potsdamer Informatik-Professor Meinel sieht keinen Grund für Panik: „Es ist nicht so, dass plötzlich alles schwarz wird für die, die nicht umgestellt haben.“ Schließlich gibt es auch die als „Tunneling“ bezeichneten Möglichkeiten, Daten des einen Protokolls so zu transportieren, dass sie von einem anderen Protokoll verstanden werden. Allerdings könnte es dabei zu gewissen Leistungseinbußen kommen.
Die Umstellung ist auf Seiten der Provider mit Investitionen in neue Hardware verbunden - die neuen Router müssen dann schließlich mit IPv6 umgehen können. Meinel erwartet aber, dass dies im Rahmen der ohnehin üblichen Erneuerung von Geräten ablaufen kann. Auch der DSL-Router für das drahtlose WLAN-Netz daheim muss dann IPv6 verstehen können, aber Meinel sieht in der Bereitstellung der entsprechenden Geräte kein großes Hindernis: „IPv6 soll nicht teuer werden.“
„Never touch a running system“
Für gewichtiger hält der HPI-Direktor die Sorgen nach dem Motto „Never touch a running system“. Mancher werde sagen: „Mein Internet funktioniert doch.“ Solche Bedenken müssten mit einer breiten Aufklärung über die Vorteile überwunden werden, meint Meinel.
Bei IPv6 werden keine dynamischen IP-Adressen mehr zugewiesen, wie es bei der Einwahl ins Netz mit einem Modem oder auch bei den meisten DSL-Verbindungen der Fall ist. Feste IP-Adressen haben den Vorteil, dass man einen eigenen Web-Server betreiben kann, der auch ohne Anmeldung einer Domain, also einer Internet-Adresse nach dem Muster meineDomain.de, immer unter der gleichen Ziffern-Adresse erreichbar ist. Andererseits erhöht eine dynamische, also sich immer wieder ändernde IP-Adresse auch den Schutz der Privatsphäre. Der Informatiker Meinel aber sieht in den dynamischen Adressen nur einen Notbehelf der IPv4-Ära: „Eigentlich sollten Datenschutz und Sicherheit auf anderen Methoden beruhen.“
Internet-Protokoll (IP)
Das Internet-Protokoll (IP) ist ein zentraler Standard für die Selbstorganisation des weltweiten Datennetzes. Es ermöglicht eine eindeutige Identifizierung für jedes an das Internet angeschlossene Gerät.
Bisher gilt im Netz Version 4 des Internet-Protokolls: IPv4 wurde bereits 1981 festgelegt. Es legt die Adressen in einem Datenblock mit einer Länge von 32 Bit ab: Vier Folgen von maximal drei Ziffern zwischen 0 und 255, die durch Punkte abgetrennt werden. Damit sind 4,3 Milliarden Internet-Adressen möglich, von denen allerdings 600 Millionen reserviert sind, so dass nur 3,7 Milliarden übrig bleiben.
Sehr viel mehr Platz bietet Version 6: IPv6 vergrößert den Datenblock auf 128 Bit, was mehr als 340 Sextillionen Adressen ermöglicht, aufgeteilt in acht Zahlenblöcken. Diese werden nicht in Dezimalziffern, sondern in hexadezimaler Schreibweise notiert, also in einem 16er Zahlensystem mit den zusätzlichen Buchstaben a bis f. IPv6 wurde im Dezember 1998 als Standard verankert, bis heute aber erst ansatzweise umgesetzt.
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