xChina-Verkehre: "Erhebliche Engpässe drohen"
Im Interview mit der VerkehrsRundschau, Schwesterzeitschrift von LOGISTIK inside, erklärt Markus Rodatz, Regional Head of Operations China & Taiwan bei Panalpina, wie sich die verschärften Sicherheitsvorschriften für Verkehr, Transport und Sicherheit in China auf die Logistik während der Olympischen Spiele auf die Logistik auswirken.VerkehrsRundschau: Hat die Pekinger Führung tatsächlich die Sicherheitsvorschriften für Verkehr, Transport und Sicherheit verschärft? Wenn ja, welche Bestimmungen besonders und inwiefern?
Markus Rodatz: Ja, es gibt diverse Restriktionen und verschärfte Sicherheitsvorschriften, die von den chinesischen Behörden kommuniziert wurden. Die Restriktionen sind vorwiegend darauf ausgerichtet, die Luftverschmutzung zu reduzieren, den automobilen Straßenverkehr zu regulieren und die allgemeine Sicherheit zu gewährleisten. Die wichtigsten Maßnahmen lassen sich wie folgt zusammenfassen:
1. In einem Radius von 200 Kilometern um Peking werden Fabriken mit hoher Luftverschmutzung in dem Zeitraum von 17. Juli bis 20. September 2008 entweder geschlossen oder stark reduziert. Dies gilt auch für Kraftwerke, was wiederum zu einer eventuell reduzierten Stromversorgung führen könnte.
2. In dem Zeitraum von 1. Juli bis 20. September dürfen nur Verkehrsmittel mit einer grünen Umweltplakette im Raum Peking fahren. Diese Maßnahme reduziert die Anzahl der verfügbaren LKW um 85 bis 90 Prozent! Außerdem dürfen Warentransporte (LKW) – mit Ausnahme von speziell lizenzierten „olympischen LKW“ – nur in den Stunden 0 bis 6 Uhr innerhalb der „Sechsten Ringstrasse“ fahren. Da der Flughafen zwischen der fünften und sechsten Ringstraße liegt, werden die Warentransporte erheblich erschwert. Eine weitere Maßnahme besagt, dass im Zeitraum vom 20. Juli bis 20. September an abwechselnden Tagen jeweils nur Fahrzeuge mit geradem bzw. ungeradem Nummernschild fahren dürfen (heute = gerade, morgen = ungerade, übermorgen = gerade).
3. Diverse Restriktionen bezüglich des Transportes von Gefahrgütern sowohl für Luft, See und Straßentransport gibt es starke Beschränkungen, die sogar in den meisten anderen chinesischen Städten (insbesondere den Partner/Gastgeberstädten Schanghai und Qingdao) zum Tragen kommen. Aufgrund unterschiedlicher „Auslegungen“ und regelmäßigen Veränderungen der Restriktionen durch örtliche Behörden prüfen Luft- und Seefrachtcarrier, ob sie überhaupt Gefahrenguttransporte akzeptieren sollen. Gerade im Bereich Seefracht gibt es diverse Carrier, die sämtliche Gefahrengutbuchungen im Zeitraum der Olympischen Spiele zurückweisen.
4. Bereits Mitte April wurden die Sicherheitsverfahren am Flughafen von Peking dahingehend verschärft, dass sämtliche Waren/Güter durchleuchtet (X-Ray) werden müssen. Größere Packstücke, welche nicht durch die X-Ray-Maschine passen, müssen mindestens 48 Stunden am Flughafen gelagert werden, bevor sie verfrachtet werden dürfen.
Welche Erschwernisse kommen damit auf Industrie-, Handels- und vor allem Logistikunternehmen wie Panalpina zu? Seit wann und wie lange sollen diese gelten?
Die wahrscheinlich größten Erschwernisse sind im Bereich Straßentransport zu erwarten. Aufgrund der limitierten Anzahl LKW sowie der tageszeitlichen Beschränkungen wird es zu erheblichen Engpässen kommen. Auch aufgrund der erhöhten Sicherheitsvorkehrungen wird es daher zu verlängerten Lieferzeiten kommen. Der Transport von Gefahrgutsendungen wird ebenfalls stark beeinträchtigt und es ist davon auszugehen, dass gewisse Güter überhaupt nicht transportiert werden können (zum Beispiel DG Class 1).
Wie wirken sich die Erschwernisse auf Logistikunternehmen konkret in der Praxis aus? Welche Branchen und welche Art von Unternehmen ist besonders stark betroffen?
Im Prinzip sind sämtliche Branchen und Unternehmen betroffen, die mit Groß-, Einzel und Außenhandel zu tun haben und im Raum Peking ansässig sind. Überregional - aber natürlich auch verstärkt in Peking - werden sicherlich Unternehmen mit Gefahrgutsendungen am meisten betroffen sein.
Bitte nennen Sie uns ein konkretes Fallbeispiel, in dem Probleme bei Panalpina aufgetaucht sind. Wie hat Ihr Unternehmen diese gelöst?
Da der Flughafen in Peking zwischen der fünften und sechsten Ringstrasse liegt, dürfen die meisten LKW nur im Zeitfenster zwischen 0 Uhr (Mitternacht) und 6 Uhr morgens Waren transportieren und anliefern. Um eine weiterhin reibungslose Warenannahme und Zulieferung zum Flughafen zu gewährleisten, hat Panalpina ein zusätzliches temporäres Lagerhaus etwas außerhalb der sechsten Ringstrasse angemietet. Somit kann Panalpina Sendungen von Kunden außerhalb von Peking ganztägig (24/7) in Empfang nehmen und entsprechend nachts mit einem Sammel-LKW am Flughafen anliefern. Eine weitere Möglichkeit für den obigen Fall besteht im frühzeitigen Planen der Sendungen, um gegebenenfalls ein neues Routing zu benennen. So werden wir z.B. im Bereich Luftfracht verstärkt alternative Flughäfen wie Tianjin benutzen.
Was macht Panalpina konkret in dieser Situation? Welche Alternativen geht man nun an?
In den vergangenen Wochen hat Panalpina eine Vielzahl „potenzieller“ Problemen definiert und analysiert. Für Probleme, die nicht - wie der obige Fall - konkret sind, wurden sogenannte „Business Continuity Plans“ ausgearbeitet, die wiederum im Detail beschreiben, welche Maßnahmen vorgenommen werden müssen, falls das Problem tatsächlich eintrifft. Zusätzlich wird unser Unternehmen während den Spielen eine spezielle Task Force in Peking installieren, die sich losgelöst von den täglichen operationellen Aufgaben, um das gesamte Event-Management kümmern wird. Diese Gruppe von Mitarbeitern wird etwaige Veränderungen bei den Einschränkungen überprüfen und in Zusammenarbeit mit den Kollegen aus der Abwicklung sowie dem Management gezielte Maßnahmen ergreifen und implementieren. Das Ziel ist selbstverständlich, einen weiterhin reibungslosen Service anbieten zu können.
Was rät Panalpina Industrie- und Handels- sowie Logistikunternehmen nun angesichts dieser Situation zu tun? Welche Alternativen sollten diese insbesondere in logistischer Hinsicht jetzt treffen? Lohnt sich etwa der Umstieg von Luft- auf Seefracht-Beförderung oder aber bei extrem wichtigen Produkten auch umgekehrt?
Am wichtigsten ist es, frühzeitig zu planen und zusätzliche Zeit für sonst normale Abwicklungen einzukalkulieren. Das trifft sowohl auf Logistik-, als auch Industrie und Handelsunternehmen zu. Während Logistikunternehmen sich frühzeitig mit den jeweiligen potenziellen Restriktionen auseinandersetzen und entsprechende Lösungsmöglichkeiten ausarbeiten müssen, sollten Industrie- und Handelsunternehmen innerhalb ihrer Lieferkette gewisse Verzögerungen beziehungsweise eine verlängerte Auftragsbearbeitung einplanen. Da man nach wie vor davon ausgehen muss, dass die Behörden weitere Restriktionen herausgeben werden bzw. bestehende Sicherheitsverfahren sich eventuell wieder verändern, ist es wichtig, genügend Zeitpuffer für die Transportplanung und -abwicklung einzurechnen.
Aufgrund der unterschiedlichen Auslegung gewisser Einschränkungen (entweder bei lokalen Behörden oder bei Carriern), werden auch die administrativen Arbeitsabläufe langwieriger.
Stichwort Gefahrgut: welche Güter sind in nächster Zeit völlig verboten, nach und aus China zu befördern? Wie lange gilt dieses Verbot?
Dies ist nicht ganz einfach zu beantworten, denn man muss klar unterscheiden zwischen offiziellen Restriktionen der Behörden und internen Richtlinien/Verfahrensweisen der Luft- und Seefrachtcarrier. Vor allen Dingen bei den Reedereien (aufgrund der langen Transportwege/-zeiten), scheint eine gewisse Zurückhaltung zu bestehen. Um zu verhindern, von möglichen neuen oder sich ändernden Vorschriften überrascht zu werden, lehnen viele Seefrachtcarrier sämtliche Gefahrgutsendungen ab, selbst wenn diese derzeit laut Hafenbehörden nach wie vor möglich sind. Im Bereich Luftfracht ist die Situation momentan etwas besser geregelt, da es eine klare Regulierung von der CAAC (Civil Aviation Administration of China) gibt. Während es für chinesische Carrier ein DG Embargo gibt (d.h. keine DG Transporte dürfen durchgeführt werden), sind ausländische Carrier nicht betroffen. Im Bereich Seefracht gibt es unterschiedliche Bestimmungen der Häfen und entsprechender Ankündigung der Hafenbehörden. Im Zeitraum vom 18 Juli bis Anfang September (und eventuell sogar Ende September) wird es voraussichtlich schwierig, Gefahrgüter (mit Ausnahme von Class 9) von und nach China zu organisieren.
Was sind überhaupt die Gründe für die genannten Blockaden, Verbote, Einschränkungen?
Die Gründe sind vor allem bei der Gewährleistung der Sicherheit und der Sorge um die Luftqualität zu suchen, aber auch, um Engpässe in den Häfen, Flughäfen und im Straßennetz zu verhindern.
Das Interview führte Eva Hassa.
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