Thursday, September 04, 2008

Pictures of the Future ---Zukunft der Fabriken – Flughafen Peking

Pictures of the Future

Zukunft der Fabriken – Flughafen Peking

Simulation im Zeichen des Drachen

Auch Gepäckförderanlagen profitieren von der Virtual Reality. Simulation ist der Schlüssel zum Erfolg – auch für die Anlage im riesigen neuen Pekinger Flughafen.

Förderband

50 km Förderbandlänge: Damit beim Bau und der Inbetriebnahme der Pekinger Gepäckförderanlage (oben) keine Probleme auftreten, erstellte und testete Siemens die komplexe Anlage virtuell (unten)

virtueller Test

Im August 2008 ist es soweit: Die Olympischen Sommerspiele sind zu Gast in China. Noch laufen die letzten Bauarbeiten auf Hochtouren, etwa im neuen Terminal 3 des Pekinger Flughafens, das in Form eines liegenden Drachens schon durch seine Größe beeindruckt. Ab Frühjahr 2008 sollen hier jährlich 60 Millionen Passagiere und 500 000 Flugzeuge abgefertigt werden. Möglich machen das Hightech-Lösungen wie die Gepäckförderanlage von Siemens.

Mit etwa 50 km Förderbandlänge kann die Anlage pro Stunde mehr als 19 000 Gepäckstücke transportieren und sortieren. Damit gehört sie zu den größten der Welt – und zu den schnellsten: Insgesamt benötigt das System mit einem komplexen Netz aus Sortierern und Weichen und einer Höchstgeschwindigkeit von 40 km/h weniger als 25 Minuten, um ein Gepäckstück vom Check-in in das am weitesten entfernt geparkte Flugzeug zu befördern.

Der Auftraggeber, der Beijing Capital International Airport (BCIA), hat die Kriterien definiert. Die Anlage sollte nicht nur das Tiefgeschoss bis auf den letzten Meter ausnutzen, sondern auch hart kalkulierte Vorgaben wie Maximal-Gepäckgrößen, Durchsatzzahlen und bestimmte Fahrzeiten erfüllen. Auch sollte sie innerhalb von 32 Monaten entwickelt, installiert und geprüft werden und dann fehlerfrei funktionieren.

Um Planung und Aufbau in dieser rekordverdächtigen Zeit zu schaffen, griffen die Ingenieure von Siemens tief in den Werkzeugkasten der Virtual Reality. Noch bevor die erste Komponente hergestellt wurde, bauten die Experten die komplette Anlage auf und testeten sie – mit einer 3D-Software. Die Erfahrung hatten die Spezialisten bereits: Ebenso entstanden die Systeme in Seoul und Madrid.

Virtuelle Koffer unterwegs. Das Team von Industrial Solution & Services (I&S) in Offenbach fütterte den Computer mit den Eckdaten der Airport-Katakomben, nutzte die für Seoul und Madrid gefertigten und in digitalen Bibliotheken abgelegten Software-Module und konnte so innerhalb kürzester Zeit komplexe Strukturen der Fördertechnik virtuell aufbauen. Das 3D-Programm erlaubte es, bis in den kleinsten Winkel zu schauen, ob die Anlage in die Räumlichkeiten passt und ob die Technik sich nicht gegenseitig im Weg steht.

Anschließend galt es, die Funktionalität der Konstruktion unter Beweis zu stellen – mit virtuellen Gepäckstücken. Tatsächlich haben sich bei der ersten Förderband-Konstellation in den Simulationsläufen an manchen Stellen der Anlage Rückstaus ergeben. Beim zweiten Versuch lagen manche Abstände zwischen bestimmten Knotenpunkten so ungünstig, dass einige Antriebe zu oft hätten anhalten und wieder neu anfahren müssen, womit die Fahrzeit von maximal 25 Minuten nicht einzuhalten gewesen wäre. Schließlich konnten die Planer des gigantischen Systems aber alle Fehler beheben – noch bevor mit dem Bau begonnen wurde.

Die virtuelle Planung und Simulation brachte auch enorme Kostenvorteile. Änderungen und Tests konnten ohne teure Prototypen durchgeführt werden. Auch wussten die Planer zu jedem Planungszeitpunkt, welche und wie viele Bauteile für die jeweilige Lösung benötigt werden. Die Software generierte nach abgeschlossener Planung mit den Montagelisten sozusagen vollständige Einkaufszettel.

Vor dem Aufbau in Peking galt es jedoch noch, die Steuerungssoftware – in der Praxis für den problemlosen Ablauf zuständig – ausgiebig zu testen. Damit Soft- und Hardware reibungslos zusammenspielen, erprobten Siemens-Experten das Programm im Siemens Airport Center (SAC) in Fürth, dem Simulations-Flughafen des Unternehmens. Das SAC beherbergt die nach Frankfurt und München drittgrößte Gepäckförderanlage Deutschlands – es ist sozusagen ein kompletter Flughafen, nur ohne Tower und ohne Flugzeuge. Gleichzeitig dient das SAC als Trainingscenter: Chinesische Mitarbeiter des Terminal 3 sammeln hier noch vor der Inbetriebnahme erste Erfahrungen mit dem komplexen System.

Im Juli 2007 fand in Peking die erste Abnahme durch das BCIA statt – nur rund zwei Jahre nach Projektstart und etwa acht Monate, bevor der Flughafen, der zu den Big Five der Welt gehören wird, in Betrieb gehen soll. Die Olympischen Spiele können kommen. Auf das Gepäck der Besucher ist der Gastgeber jedenfalls schon heute bestens vorbereitet.
Sebastian Webel

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