Tuesday, December 23, 2008

Logistiksoftware steuert riesiges IT-Lager

Nachrichten : Best Practice

Logistiksoftware steuert riesiges IT-Lager

19.12.2008 --- logistikinside.de

Distributionszentrum von Ingram Micro in Straubing (Ostbayern) (Foto: Viastore)

Im Straubinger Distributionszentrum des IT-Großhändlers Ingram Micro geht es hoch her. Rund 60.000 Packstücke verlassen täglich das ostbayerische Lager. Sie werden aus 25.000 verschiedenen Artikeln wie Computern, Speicherkarten, Monitoren und Druckern bereitgestellt, die Ingram Micro auf einer Fläche von 80.000 Quadratmetern vorhält. Außerdem nimmt Ingram Micro pro Tag rund 200 neue Artikel ins Sortiment auf. Um solche Anforderungen möglichst flexibel zu bewältigen, lagert und kommissioniert der Großhändler größtenteils manuell mit Datenfunkunterstützung. Das Intralogistikunternehmen Viastore unterstützt den IT-Riesen dabei mit dem Warehouse-Management-System „Viadat“, das seit Sommer 2008 alle Lagerprozesse in Straubing steuert.

„IT-Distribution ist eine echte 24-Stunden-Distribution“

Als einer der führenden IT-Großhändler Europas bietet Ingram Micro ein umfassendes Produktspektrum. Mehr als 350 namhafte Lieferanten versorgen das Unternehmen. Auch Dienstleistungen für mehr als 30.000 Fachhandelskunden gehören zum Portfolio. „Die IT-Distribution ist eine echte 24-Stunden-Distribution. 80 bis 90 Prozent des Tagesgeschäfts sind von Bestellungen geprägt, die heute eingehen und morgen beim Kunden sein müssen“, schildert Axel Markus Koch, Managing Director im Bereich Operations & Service bei Ingram Micro. Die Auswirkungen des E-Commerce greifen auch hier: Die Bestellmengen gehen zurück, die Bestellhäufigkeit dagegen wächst. „Der Fachhändler hat heute kein Lager mehr, er platziert seine Aufträge über unsere Shop-Lösung so, wie sie bei ihm reinkommen. Manche Händler bestellen zwanzigmal am Tag bei uns“, sagt Koch.

Sieben Außenlager ersetzt

Zusammen mit dem Zentrallager in Straubing waren in der Vergangenheit sieben Außenlager zu bewirtschaften – ein Zustand, der die Prozesse ineffizient, langsam und störanfällig machte. Deshalb entschied Ingram Micro, durch einen Neubau in Straubing die Logistik zu bündeln. Mitte Dezember 2007 legte man den Grundstein des „Regional Distribution Center II“, kurz RDC II, direkt neben dem bereits 1999 gebauten Zentrallager RDC I. Von hier aus werden heute der gesamte deutsche Markt, Österreich, die Schweiz und weitere Länder beliefert. „Straubing hat mit Abstand das größte Warenportfolio innerhalb des Ingram-Micro-Konzerns vorrätig – mehr als jedes andere Lager in Europa“, hebt Koch hervor. Damit ist Straubing gleichzeitig das Vorratslager für die Ingram-Micro-Lager in anderen Ländern.

Hohe Anforderungen an WMS

Der Langerkomplex verfügt über 98 Tore

Mit dem neuen Lagerkomplex verdoppelte sich die Lagerfläche auf 80.000 Quadratmeter. Insgesamt verfügen RDC I und RDC II zusammen über 60.000 Palettenplätze. Rund 100 LKW entladen täglich an 98 Toren ihre Fracht – das bedeutet an die 2700 Wareneingangspositionen. Etwa 25.000 Kundenaufträge pro Tag – das heißt bis zu 60.000 Packstücke – verlassen das Distributionszentrum. Um solche Aufgaben zu bewältigen, sind 130 Flurförderzeuge im Einsatz. Insgesamt 6,5 Kilometer Förderstrecke transportieren die Waren zu sieben Kommissionier-Loops mit je vier Kommissionier-Bahnhöfen sowie zu zwei Kommissioniermodulen mit 1600 Durchlaufkanälen. In der Versandabwicklung durchlaufen die Produkte Pack-, Versand- und Konsolidierungs-Sorter.

Das RDC II fungiert mit seinen 40.000 Paletten-Stellplätzen vor allem als Versorgungslager für die Kommissionierung im RDC I. Beide Lager verbindet eine Brücke. In diese sind eine Förderstrecke für Paletten, eine Paketförderanlage und ein Fahrweg für Staplertransporte integriert. Darüber laufen alle Produkte zur Versorgung der Stammfächer an den Kommissionier-Stationen im RDC I – vor allem B- und C-Produkte. Große und schwere Waren werden nur dann direkt im RDC II kommissioniert, wenn sie für die Fördertechnik zu groß sind. Dazu zählen etwa Plotter und Plasma-Fernseher. A-Produkte werden in einem eigenen Lagerteil im RDC I bevorratet, soweit dies möglich ist. Dort ist auch ein 7000 Quadratmeter großer Lagerteil mit Fachbodenregalen für Kleinteile untergebracht.

Konzern-WMS hat ausgedient

Axel Markus Koch, Managing Director im Bereich Operations & Services bei Ingram Micro

Das WMS „Viadat“ von Viastore steuert alle Prozesse zwischen Wareneingang und Versandrampe. Ursprünglich verwaltete eine speziell für Ingram Micro entwickelte und konzernweit eingesetzte Software alle Lager des Konzerns. Doch das Straubinger Distributionszentrum wollte schon 2004 davon unabhängig werden. „Die Konzern-Software wird bei der Mutter in den USA gehostet. Gibt es dort Störungen, stehen alle Lager still, die darauf zugreifen“, erklärt Koch. Zudem war die vorhandene Software ungeeignet, ein Distributionszentrum in dieser Größe zu unterstützen. „Das System war zu unflexibel. Mit Viadat haben wir jetzt eine Software, die in der Lage ist, völlig unabhängig den Lagerraum effizient zu nutzen“, schildert Koch. Bei einem Lagerbestand mit einem Warenwert von mehr als 200 Millionen Euro darf es keine Bestandsunsicherheiten geben. Als Realtime-System kann Viadat deshalb Abläufe integrieren, die den Benutzer genauestens über Warenbestände informieren.

Produktivität um 20 Prozent gesteigert

„Wir suchten eine Software, die uns auch in Zukunft bei dem infrastrukturellen Ausbau des Logistikzentrums unterstützt“, erläutert Ingram-Micro-Experte Koch. Gemeint ist eine mögliche Teilautomatisierung einiger Prozesse in der Kommissionierung.

Seit Mitte Juli 2008 steuert und managt Viadat alle Prozesse in beiden Straubinger Lagerteilen. Die Produktivität des Lagers sei um rund 20 Prozent gestiegen“, sagt Walter Reiter, Senior Manager und Projektleiter Viadat bei Ingram Micro.

Optimierung ab Wareneingang

Die LKW werden bei der Anlieferung so gesteuert, dass die Produkte bei Ingram Micro vor dem richtigen Lagerbereich eintreffen

Das ERP-System, über das die Bestellungen eingehen, ist keine Standard-Software, sondern eine individuell für Ingram Micro entwickelte Lösung. Ebenso individuell musste auch die Schnittstelle zu Viadat sein. Zudem wurde die Supply-Chain-Software „I-LogX“ von Euro-Log für diese Anwendung in Viadat integriert. Schon bei der Anlieferung werden die LKW so gesteuert, dass ein Produkt gleich vor dem richtigen Lagerbereich ankommt. Die dafür erforderlichen Daten liefert I-LogX. Darüber werden sämtliche mit der Lieferung in Zusammenhang stehende Daten vom Hersteller, dem Speditionsunternehmen und dem Logistikcenter in Straubing ausgetauscht.

Dringende Aufträge kommen zuerst dran

Die Bearbeitung eines Kundenauftrags beginnt damit, dass Viadat einer Ladung einen Frachtführer zuordnet. Dazu greift es auf ein Frachtmodul von Euro-Log zu. Der Frachtführer wird dann auf Basis einer Frachtkostenoptimierung ermittelt. Jeder Frachtführer hat feste Abfahrtszeiten. Danach terminiert das WMS alle Kommissionier-Vorgänge. Entsprechend werden die Aufträge auch priorisiert. Liegt der Abfahrtszeitpunkt dicht beim Auftragseingang, erhält dieser Auftrag eine hohe Priorität. Teilweise bleibt für die Kommissionierung nur eine Stunde Zeit. Zudem ändern sich die Prioritäten ständig. Eine papiergebundene Logistik wäre hier überfordert.

Zwei Kommissionierprinzipien – über 70.000 Picks pro Tag

Kommissionierung von Repack-Waren bei Ingram Micro

Die Produkte im Ingram-Micro-Logistikzentrum sind in Repack- und Fullcase-Waren unterteilt: Repacks erhalten eine Versandverpackung, Fullcase-Waren werden in Originalkartons verschickt. Dazu zählen zum Beispiel Fernseher oder Drucker. Diese Information ist auch im Artikelstamm hinterlegt und entscheidet über den weiteren Weg der Ware durch das Logistikzentrum. Die Fullcase-Produkte werden im Pick-to-belt-Bereich mit einem kombinierten Versand- und Kommissionier-Label versehen. Die Waren sind in einem Durchlaufregal gepuffert. Der Kommissionierer sucht anhand der Versandlabel die Waren aus dem Regal. Anschließend klebt er das Label auf und setzt die Waren auf die Fördertechnik. Anschließend folgt der Transport in den Versand.

Für die Repacks beginnt die Kommissionierung am Kartonaufrichter. Die Viadat-Software berechnet die passende Kartongröße und ermittelt gemäß Durchlaufzeit und Verladeende den Kundenauftrag, der die höchste Priorität hat. Nachdem ein Transportlabel auf den Karton geklebt wurde, läuft dieser über die Fördertechnik zur Kommissionierung. Mit einem am Finger befestigten Scanner lesen die Mitarbeiter diesen Auftrag ein. Das am Arm befestigte Funkterminal zeigt die Pickaufträge an. Insgesamt verfügen die Mitarbeiter über rund 250 Handheld-Computer.

In den Stammfächern der Kommissionierzone lagert der erwartete Bedarf für die nächsten zehn Tage. Sinkt der Bestand unter diese Grenze, löst Viadat einen Auftrag zur Nachschub-Steuerung aus. Die Stammfachversorgung sowie die Ermittlung der A-, B-, C-Sortierung innerhalb dieser Stammfächer waren eine besondere Herausforderung bei der Anpassung von Viadat.

Überhaupt ist das ganze Lager auf maximalen Durchsatz „programmiert“. Um diese Leistung zu erreichen, passte Viastore unter anderem die Bedieneroberfläche der Terminals in Viadat an. Heute managt das WMS über 70.000 Picks pro Tag.

Mehrfach-Kontrollen erhöhen Qualität

Die Ermittlung und Auswertung von Kennzahlen ist ein wichtiges Tool, um die Auslastung zu steuern

Ist die Kommissionierung abgeschlossen, wird das letzte Paket einer Lieferung zum Packsorter befördert und der Lieferschein beigelegt. Die anderen Pakete gehen direkt auf den LKW. Dabei erfolgen gleich an mehreren Stellen Qualitätskontrollen: Beim Kommissionieren der Repacks sorgt das WMS mit Hilfe eines Barcodes dafür, dass die richtigen Waren in die Pakete kommen. Am Ende jedes Repack-Loops wird über das Gewicht kontrolliert, ob der Inhalt stimmt. Und bevor das Paket schließlich auf den LKW kommt, wird es nochmals gewogen.

Zudem werden alle Pakete beim Beladen des LKW gefilmt. Dadurch kann nachgewiesen werden, dass das Paket auch tatsächlich das Lager verlassen hat. Bevor die Pakete an den Carrier gehen, werden sie automatisch gescannt. Die so generierten Truck-Scan-Daten erhält, der sie wiederum mit den Daten der Eingangs-Scannung in seinem ersten Depot vergleichen kann. So können Abweichungen an vielen verschiedenen Stationen erkannt und behoben werden.

Zur Bildergalerie IT-Logistik bei Ingram Micro: bitte folgenden Link anklicken: http://www.logistik-inside.de/cms/788453/li_galerie

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