Friday, March 13, 2009

Das Internet wird 20

Das Internet wird 20

Am Anfang wollte keiner etwas davon wissen

Von Holger Schmidt

Tim Berners-Lee in jüngeren Jahren: 1994 an seinem Arbeitsplatz am Genfer Cer...

Tim Berners-Lee in jüngeren Jahren: 1994 an seinem Arbeitsplatz am Genfer Cern, der Großforschungseinrichtung für Teilchenphysik

13. März 2009 Eigentlich hat der Brite Tim Berners-Lee im Jahr 1989 nur eine Technik entwickeln wollen, um die Zusammenarbeit der Forscher des Großforschungsinstituts für Teilchenphysik (Cern) in Genf zu verbessern. Sein Projektantrag "Informationsmanagement: Ein Vorschlag", eingereicht am 13. März 1989, sollte sich dann aber als Grundstein des Internet entpuppen und das Kommunikations- und Informationsverhalten von einer Milliarde Menschen grundlegend verändern. Sein damaliger Vorgesetzter Mike Sendall ahnte vielleicht, dass eine großartige Idee auf seinem Schreibtisch lag, aber sicher war er sich nicht. "Vage, aber aufregend" schrieb Sendall auf den Projektantrag, in dessen Zentrum der "Hypertext" stand, der Informationen in einem Netz durch logische Verbindungen miteinander verknüpft.

Das System war gedacht, damit die Mitarbeiter am Cern auf die Forschungsergebnisse ihrer Kollegen in aller Welt zugreifen konnten. Berners-Lee lieferte auch gleich die Programmiersprache für Internetseiten mit, die auch heute noch geltende "Hypertext Markup Language" (HTML), sowie das Instrument für den Datentransfer, das "Hypertext Transfer Protocol", dessen Abkürzung "HTTP" ebenfalls bis heute als Synonym für die Datenübertragung im Internet steht.

Zunächst wollte niemand etwas davon wissen

Die Queen und der Erfinder: Elisabeth II. schüttelt dem Internet-Veteranen Si...

Die Queen und der Erfinder: Elisabeth II. schüttelt dem Internet-Veteranen Sir Tim Berners-Lee die Hand

Aber wie so oft bei bahnbrechenden Erfindungen wollte zunächst niemand etwas davon wissen. Erst 1991 richteten die ersten Universitäten Netzwerkrechner ein, um auf der Basis von Berners-Lees Ideen ihre Forschungsergebnisse auszutauschen. Das Internet wäre vielleicht nie aus der Forscherecke herausgekommen, hätte nicht der amerikanische Student Marc Andreessen 1993 am National Center for Supercomputing Application den ersten Browser namens Mosaic erfunden. Der Browser zeigte Internetseiten mit Grafiken an, so dass auch Nichttechniker in der Lage waren, mit einem einfachen Klick auf einen Hyperlink zur gewünschten Seite zu gelangen.

Das war der Durchbruch. Andreessen gründete das Unternehmen Netscape, und dessen Browser Navigator wurde zum Tor ins Internet, durch das Millionen Menschen strömten. Die Online-Dienste AOL und Compuserve öffneten ihre geschlossenen Online-Dienste ins Internet, und in Deutschland wurde aus dem Bildschirmtext der Telekom schließlich T-Online. E-Mail und der Zugang zum World Wide Web standen offen. Zwar mit meist langsamen Modems, aber immerhin.

Die Faszination der weltumspannenden Kommunikation und der plötzlich kinderleichten Informationsbeschaffung elektrisierte immer mehr Menschen. Mitte der neunziger Jahre bevölkerte sich das World Wide Web. Im Juli 1995 brachte Jeff Bezos das Internet-Kaufhaus Amazon online. und im September desselben Jahres wurde der Internet-Marktplatz Ebay von Pierre Omidyar gegründet. 1995 ist auch das Geburtsjahr von Yahoo, deren Gründer Jerry Yang und David Filo einfach die steigende Zahl der Internetseiten in Kategorien einordneten, damit die Nutzer den Überblick behalten konnten.

Einer gehörte sicher nicht zu den Internet-Visionären: Bill Gates

Zu den Internet-Visionären gehörte damals aber einer ganz sicher nicht: Bill Gates, der Gründer von Microsoft, unterschätzte das Internet kolossal. Er versuchte seine Nutzer im geschlossenen Dienst MSN zu halten. Zum Glück für Andreessen, denn sein Netscape Navigator verbreitete sich rasant, und dem ersten erfolgreichen Börsengang eines Internetunternehmens stand nichts mehr im Wege. Erst Jahre später sollte Gates die Bedeutung des Netzes erkennen und mit seinem Browser Internet Explorer die Verfolgung des Pioniers Andreessen aufnehmen.

1999 erfasste die Begeisterung für das Internet die Börse, um sie schon im Jahr 2000 wieder zu verlassen. Die Internet-Blase an der Börse war geplatzt, doch im Rückblick war die Phase nur eine Delle auf dem stürmischen Wachstumspfad des Datennetzes. Die Nutzerzahl stieg unvermindert an, und spätestens 2004 kehrte die Begeisterung auch an die Börse zurück. Die Suchmaschine Google legte ein sensationelles Börsendebut hin und machte das Internet auch auf dem Börsenparkett wieder salonfähig. Google hatte neben Amazon und Ebay das dritte große Geschäftsmodell gefunden, nämlich die Online-Werbung exakt an den Wünschen der Nutzer auszurichten. Das Modell, kleine Werbetexte (mit Hyperlinks) in maximal 0,5 Sekunden einzublenden, die Antworten auf den gerade eingetippten Suchbegriff liefern, hat Google im vergangenen Jahr mehr als 20 Milliarden Dollar Umsatz gebracht.

www-Erfinder Berners-Lee erhält 2004 den “Millennium Technology Prize“

www-Erfinder Berners-Lee erhält 2004 den "Millennium Technology Prize"

Wofür andere Branchen Jahrzehnte brauchen, vollzieht sich im Internet im Zeitraffer: Umwälzende Techniken wie Breitbandverbindungen oder mobile Geräte wie das iPhone lassen das Leben weiter im Netz pulsieren. Bald werden alle Telefongespräche über das Internet geführt; auch das Fernsehen verlagert sich mehr und mehr ins Netz.

Offenheit als der große neue Trend im Netz

Nach den Pionieren sind nun Unternehmen wie Facebook oder Twitter die neuen Stars im Web 2.0, das für viele das wahre Internet darstellt. Denn nun kommunizieren Millionen Menschen über das Netz miteinander. Der große Trend ist zurzeit die Offenheit: Internet-Unternehmen öffnen ihre Software. Millionen Entwickler entwickeln Zusatzprogramme oder bauen mit der frei verfügbaren Software eigene Internetseiten. Selbst Zeitungen wie die "New York Times" oder der britische "Guardian" öffnen sich, damit sich ihre Inhalte über das Netz verbreiten.

Diesen NeXT-Computer nutzte Berners-Lee im Jahr 1990. Es handelte sich um das...

Diesen NeXT-Computer nutzte Berners-Lee im Jahr 1990. Es handelte sich um das erste Gerät, das als Webserver und Netz-Browser fungierte

Und Berners-Lee? Nun, er ist heute Sir Tim Berners-Lee, mit vielen Orden dekoriert, arbeitet er heute an der dritten Generation des Netzes, dem semantischen Internet. Das soll die Inhalte wirklich verstehen und wissen, ob man auf einer Bank sitzt oder sein Geld dort anlegt. Nach dem Grundstein kann Berners-Lee damit die nächste Internet-Revolution auslösen.



Text: F.A.Z.
Bildmaterial: AP, dpa, REUTERS