Interview zur Krise in der Automobilindustrie: „Wissen, wo das Geld im Unternehmen gebunden ist“
Drei Fragen an: Harald Balzer, Vorstandsvorsitzender der Stuttgarter Logistik- und Produktionsberatung Concept AG
LOGISTIK inside : Herr Balzer, Sie raten Automobilunternehmen und Zulieferfirmen zu einer „Rezessionsagenda“. Was verstehen Sie darunter?
Balzer: Schlechte Zeiten sind gute Zeiten für die Besten. Insofern ist unternehmerischer Weitblick gefragt, der sich durch Kostenreduktion, Liquiditätsvorsorge und Nachhaltigkeit des eigenen Portfolios auszeichnet. Dazu muss man detailliert – und nicht zuletzt mittels einer Produktergebnisrechnung –wissen, wo das Geld heute im Unternehmen gebunden ist und dieses in Cash Flow überführen. Auf jeden Fall erfordern diese Zeiten eine transparente Kommunikation – intern wie auch nach außen. Und schließlich ist die Anforderung an das Management, sich jetzt dafür zu rüsten, den Kunden mit neuer, auf intelligenter Ressourceneffizienz basierender Fitness zu begeistern.
LOGISTIK inside : Welche Rolle spielt die Logistik für die Kapitaloptimierung?
Balzer: Es geht hier vor allem um die produktionsnahe Logistik, also um die Größe und Differenziertheit von Lagern, den oft unzureichenden Gleichteileeinsatz und auch schlicht um die Zahl der Lieferanten: Jetzt ist die Kapazität da – und meist auch die Motivation –, die besten und am besten passenden Lieferanten zu Systempartnern aufzuwerten sowie die weiter vorgelagerten Wertschöpfungsstufen unter einem Partnerdach zu integrieren. Es kommt hinzu: Je näher der Systempartner zur eigenen Fertigung angesiedelt ist, desto geringer fallen die Aufwände zur Anlieferung aus – so kann eine schlanke Logistik obendrein noch grün werden.
LOGISTIK inside : Was können Automotive-Unternehmen aus schwierigen Zeiten wie diesen lernen?
Balzer: Die Absatzmärkte frieren gerade zu. Ist es da richtig, neue Kapazitäten in den Vertrieb vor Ort zu stecken? Meiner Meinung nach muss ein Unternehmen in den jetzigen Krisenzeiten neben der notwendigen Liquiditätssicherung mehr als nur ausschließlich seine Kunden im Blick haben. Gerade ein Dialog mit den Lieferanten kann helfen, wesentliche Entlastungspotenziale zu identifizieren. Denn Krisenfitness heißt schlankere Produktion, heißt Liquiditätsmanagement, und heißt vor allem, durch Reduktion des gebundenen Umlaufvermögens Spielräume zur Wertsteigerung zu erlangen.
LOGISTIK inside : Herr Balzer, vielen Dank für das Gespräch.
Interview: Matthias Pieringer