Wednesday, February 11, 2009

CO2-Waschmaschinen

CO2-Waschmaschinen

Textilien unter Druck

Von Ullrich Hnida

CO2 statt Chlor: Butlers Maschinenpark

CO2 statt Chlor: Butlers Maschinenpark

11. Februar 2009 Fast jeder kennt den für chemische Reinigungen typischen Geruch. Den einen verheißt er Sauberkeit, die anderen fürchten um Umwelt und Gesundheit. Tatsache ist: Die meisten deutschen Reinigungen nutzen das Lösungsmittel Perchlorethylen (PER), um Schmutz aus der Kleidung zu lösen. Und PER steht im Verdacht, krebserregend zu wirken. Auch neuere Ersatzstoffe wie Kohlenwasserstoffverbindungen sind nicht unumstritten. Seit knapp fünf Jahren arbeitet das Unternehmen Linde an einer unbedenklicheren Alternative: Reinigung mit flüssigem Kohlendioxid als Lösungsmittel. Nun will das Unternehmen mit der neuartigen Technik auf breiter Front den Markt aufrollen. In ganz Europa sollen unter dem Markennamen Fred Butler flächendeckend Filialen entstehen.

Die Kohlendioxid-Waschmaschinen, die das Ausmaß einer kompakten Heimsauna haben und rund viereinhalb Tonnen wiegen, sind äußerlich eher unauffällig. Im Innern der Edelstahlhülle gibt es, wie bei einer Waschmaschine, eine Trommel. Zusätzlich hat man der Anlage einen Vorratsbehälter für sauberes Kohlendioxid beigefügt. Verwendet wird ausschließlich, so versichert der Hersteller, recyceltes Kohlendioxid-Gas, das in der Industrie bei verschiedenen chemischen oder technischen Prozessen als Abfall anfällt. Hinzu kommen eine Destillationseinheit zur Reinigung, verschiedene Filter und eine Dosierpumpe, die eigens entwickelte, biologisch abbaubare Reinigungsmittel (Detergenzien) zugibt. Sie sollen die Fettlösekraft weiter steigern und auch wasserlöslichen Schmutz entfernen.

Lösemittelfreier Arbeitsplatz: Hier wirkt Butler Fred
Lösemittelfreier Arbeitsplatz: Hier wirkt Butler Fred

Nach der Wäsche wird mit flüssigem Kohlendioxid gespült

Dass sich im Innern Ungewöhnliches tut, merkt der Laie schon beim Öffnen. Die Türe besteht nämlich aus drei Zentimeter starkem Edelstahl. Auch die Komponenten im Innern sind zum Teil ähnlich massiv, denn dort herrscht ein Druck von bis zu 50 bar (dem 50-fachen Luftdruck). Bei diesem Druck verhält sich Kohlendioxid wie eine Flüssigkeit. In diesem „überkritischen“, flüssigen Zustand entwickelt der Stoff, den wir sonst als Klima-Schadgas wahrnehmen, einige besondere Eigenschaften. Seine Oberflächenspannung sinkt beträchtlich, das verflüssigte Gas kann tief ins Gewebe eindringen und dank seiner fettlösenden Eigenschaften Verschmutzungen gründlich entfernen. In der Luftfahrtindustrie wird Kohlendioxid deshalb schon seit den achtziger Jahren zur Säuberung empfindlicher Instrumente genutzt.

Der Waschvorgang ist rasch erklärt. Aus der mit Wäsche befüllten, geschlossenen Trommel wird zunächst die Luft abgepumpt, danach fließen etwa 100 Kilogramm flüssiges Kohlendioxid aus dem Vorratstank in die 250 Liter fassende Waschtrommel. Eine Hochdruckpumpe sprüht die Detergenzien ein. Nach der Wäsche wird mit flüssigem Kohlendioxid gespült. Danach wird der Druck in der Trommel gesenkt. Reinigungs- und Spüllösung werden filtriert und destilliert. Bis zu 99 Prozent des Kohlendioxids werden dabei zurückgewonnen und fließen wieder in den Vorratstank. Nur etwa ein bis zwei Prozent bleiben in der Trommel. Nach dem Öffnen entweicht der Rest rasch als Gas. Die Wäsche kommt weich, kühl und trocken aus der Maschine. Eine neugierig in die Trommel gesteckte Nase empfände wohl ein leichtes Kribbeln.

Eine bis zu 40 Prozent höhere Lebensdauer der Textilien

Entwickelt wurde das neuartige Reinigungskonzept nicht von Linde, sondern schon 1995 vom amerikanischen Unternehmen Hangers. Vor etwa fünf Jahren erwarb Linde die Lizenzen und entwickelte das Verfahren gemeinsam mit dem schwedischen Hausgerätehersteller Electrolux weiter. Reibungslos verlief die Entwicklung auch für den Münchner Konzern nicht, beispielsweise bereitete anfänglich die Haltbarkeit bestimmter Teile Kopfzerbrechen. Vor allem Knöpfe erwiesen sich als wenig widerstandfähig. Diese Probleme sind gelöst, die schonende Reinigung ist heute das Hauptargument. Das Unternehmen spricht von einer um bis zu 40 Prozent höheren Lebensdauer der Textilien, verglichen mit herkömmlichen Reinigungsverfahren.

Ein Grund sind die niedrigen Waschtemperaturen von nur 10 bis 15 Grad Celsius, ein zweiter der Verzicht auf Schleuder- und Trockengänge. Zudem hat Kohlendioxid eine geringere Dichte als Wasser, ist also deutlich leichter. Damit sinkt die mechanische Belastung der vollgesogenen Wäsche in der rotierenden Trommel allein schon aufgrund des viel geringeres Eigengewichts der Stücke. Und die geringe Waschtemperatur hat den weiteren Vorteil, dass Farben länger frisch bleiben, die immer häufiger verwendeten Klebstoffe nicht angegriffen werden und aus unterschiedlichen Stoffen und Gewirken zusammengesetzte Kleidungsstücke sich nicht verziehen. Besonders Theatern und Museen bietet sich hier ein Verfahren zur schonenden Reinigung ihres Kostüm-Fundus, darunter wertvolle Unikate.

Hohe Systemkosten sind wichtigstes Gegenargument

Was besonders Allergiker freuen dürfte: Kohlendioxid ist nicht nur fettlösend, sondern wirkt antibakteriell. Zudem vertragen Milben und deren Brut die Wäsche bei wechselndem Druck äußerst schlecht. Untersuchungen belegen, dass sich – kombiniert mit einer nachgeschalteten Nassreinigung – alle bekannten Hausstaub- und Bettmilben für lange Zeit beseitigen lassen. Unumstritten sind auch die Umweltvorteile. Emissionen von 140.000 Tonnen chlorhaltiger Lösemittel aus Textilreinigungen überall auf der Welt könnten künftig vermieden werden. Und der Energieverbrauch liegt bis zu 30 Prozent unter dem konventioneller Reinigungsverfahren, niedere Waschtemperaturen und der überflüssige Trocknungsgang sind dafür die Hauptgründe.

Über Kostenvor- und -nachteile wird derweilen kontrovers diskutiert. Die hohen Systemkosten sind eines der wichtigsten Gegenargumente der etablierten Reinigungsbranche. Tatsächlich könnten die Kosten für die neue Maschinentechnik doppelt so hoch liegen wie beim gewohnten Verfahren. Dem stehen allerdings ein höherer Durchsatz und spürbar geringere Kosten für Energie, Betriebsmittel (Kohlendioxid ist billiger als konventionelle Lösemittel) und Entsorgung (Lösemittel- versus Kohlendioxidrecycling) gegenüber. Bei Linde verhehlt man zudem nicht, dass man Fred Butler als High-End-Produkt positioniert und sich schon deshalb bewusst am oberen Ende der Preisskala ansiedelt.



Text: F.A.Z.
Bildmaterial: Hersteller